Der österreichische LGBTQIA+ Aktivist Florian Niederseer beschreibt mit seinen ganz eigenen Worten das Coming Out im Wandel der Zeit.
Coming Out hat viele Formen und Gesichter. Mal ist es ganz im Privaten und ein andermal ein großes, offenes Statement. Jede Person hat die Coming Out Erfahrungen auf deren ganz eigener Art und Weise. Wobei sich mit dem Voranschreiten unserer Gesellschaft Einiges dazu geändert hat. Auch wenn das Coming Out noch relativ gleich ist, gibt es Vieles das sich davor und danach abspielt, was sich mit dem Wandel der Zeit stark verändert hat.
Besonders das Alter spielt im Vergleich eine große Rolle. Während man vor 25 Jahren noch meist das Coming Out in den Zwanzigern, oder auch später hatte, sind heutzutage Geschichten von 14-Jährigen, die bereits das eine Gespräch mehrmals hinter sich haben nicht so ganz ungewöhnlich. Und während man an einigen Orten große progressive Schritte vorwärts sieht, gibt es doch auch noch hier in Europa genug Plätze, in denen es mit LGBTQIA+ Akzeptanz noch etwas länger dauern könnte.
Meine eigene Coming-Out Story beginnt mit mir Zuhause am Land, als ich 14 war. Auch wenn mein Coming Out bei meinen Freund*innen eher unfreiwillig war, bekam ich überraschenderweise doch größeren Zuspruch als erwartet.
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Coming Out bei meinen Freund*innen eher unfreiwillig war, bekam ich überraschenderweise doch größeren Zuspruch als erwartet. Klar gab es auch die ein oder anderen, die sich plötzlich nicht mehr neben mich setzen wollten, da sie ja sonst schwul hätten werden können. Aber im Großen und Ganzen ging es mir dabei relativ gut, da ich zu mir selbst stehen konnte.Wobei man sich irgendwie als Einziger der sich geoutet hat, in der Umgebung doch etwas einsam am Gipfel fühlt.
Als ich dann mein Leben in verschiedenen Städten fortsetzte, öffnete sich für mich eine große neue Welt voller Akzeptanz und Liebe (abgesehen von der enormen Diskriminierung auf lokalen Online-Communities wie auf Grindr, einem sozialen Netzwerk für queere Menschen). Ich fühlte mich dank all der vielfältigen und willkommen heißenden LGBTQIA+ Szenen nicht mehr allein und hatte dabei auch die Chance, mehr über mich selbst zu erfahren durch das Reflektieren meiner gesammelten Erfahrungen.
Was es eigentlich für meinen Charakter und Identität bedeutet, auf Menschen desselben Geschlechts zu stehen, war eine Frage, die ich mir seit Jahren stellte.
EINE ANTWORT FINDEN, JE ÄLTER MAN WIRD
Hier war es mir letztendlich möglich, gemeinsam mit anderen für mich selbst eine Antwort darauf zu finden. Auch wenn diese sich stets, je älter ich werde - Stück für Stück ändert - je mehr ich über mich herausfinde.
Und eine Geschichte wie diese ist im Grunde nicht einmal so ungewöhnlich. Viele Leute, mit denen ich sprach, die nach ihrem Coming Out ins Urbane zogen, erzählten von ähnlichen Erfahrungen und Wow-Momenten. Da sie sich auf einmal so fühlten, als müssten sie keinen Teil von sich selbst mehr verstecken.
Das heißt jetzt nicht, dass man im Städtischen auf gar keine negativen Reaktionen mehr gefasst sein muss. Hier sind es dann meist eher komische Blicke, das ausgegrenzt Werden von Freund*innen oder Kolleg*innen oder irgendwelche Zurufe, wenn man gerade die Straße entlang geht. Da ist es oftmals außerhalb der Stadt etwas extremer, wenn man manchmal gleich von beinahe der gesamten Gemeinde ausgegrenzt wird, bzw. berufliche Chancen Aber es gibt auch vereinzelt am Land heutzutage zahlreiche Cornerstones der LGBTQIA+ Community in Form von lokalen Aktivist*innen oder wundervollen Personen, die sich einfach nicht sagen lassen wollen, wie sie zu leben haben und dabei andere inspirieren.
"Jede Stimme, jedes Wort
und jede wehende
Fahne machen einen Unter-
schied im queeren Leben."
Florian Niederseer
Florian Niederseer ist ein österreichischer Künstler & LGBTQIA+-Aktivist. Mit seiner künstlerischen Arbeit als Poet wurde er bereits in der ersten deutschsprachigen queeren Slam Anthologie abgedruckt und im Pride Magazin vorgestellt. Er lebt aktuell in Glasgow und arbeitet gemeinsam mit politischen Organisationen und NGOs zusammen, um in Bedrängnis geratenen Leuten aus LGBTQIA+ Communities in Ländern wie Polen und Russland zu helfen.
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